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VG Hamburg erlässt einstweilige Anordnung nach Transparenzgesetz gegen Hafen City. Beschluss vom 9. Januar 2019 – 17 E 4843/18 –

 


 

 

VG Hamburg
Beschluss vom 9. Januar 2019
- 17 E 4843/18 -

 

 

 

Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über folgende Fragen zu erteilen:
1. Bei welcher Sitzung welchen Gremiums ist die Entscheidung zugunsten
des Signa-Entwurfs und der Zuschlag an Signa erfolgt?
2. Wo war diese Sitzung (bitte genauen Ort angeben)?
3. Wann war diese Sitzung (bitte exakte Zeit angeben)?
4. Wer gehörte diesem Gremium an (bitte alle Namen und Funktionen)?
5. War der damalige Bürgermeister Olaf Scholz bei der zu benennenden Sitzung
persönlich anwesend oder war er per Video zugeschaltet?
6. Wenn ja, von wo und wie lange?
7. Hat der Bürgermeister persönlich eingegriffen und für Signa votiert?
8. Ist die Entscheidung für Signa in dem zu benennenden Gremium einstimmig
gefallen oder mit Mehrheit? Wie war das Votum?
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

 

 

Gründe

 

I.

 

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin Auskunft über eine Aufsichtsratssitzung.

 

Der Antragsteller ist Journalist bei der BILD-Zeitung. Die Antragsgegnerin ist eine GmbH, deren Alleineignerin die Freie und Hansestadt Hamburg ist. In § 2 ihres Gesellschaftsvertrages (abrufbar unter: https://www.hafencity.com/upload/files/files/ Gesellschaftsvertrag_ab_Mai_2015_HCGK.pdf) heißt es:

 

(1) Gegenstand des Unternehmens ist

 

(a) die Geschäftsführung für das Sondervermögen "Stadt und Hafen"

 

(b) das Management der Überleitung von der hafenwirtschaftlichen zur stadtwirtschaftlichen Nutzung des Gebiets der HafenCity,

 

(2) Das Unternehmen hat die sonstigen vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg festgelegten öffentlichen Interessen zu beachten.

 

Das Sondervermögen „Stadt und Hafen" umfasst u.a. ein Grundstück im Stadtteil Hafen-City zwischen den Elbbrücken, das mit dem höchsten Hochhaus der Stadt bebaut werden soll. In einem Bauherrenauswahlverfahren wählte die Antragsgegnerin die Signa Prime Selection AG aus, die einen Entwurf des Architekten David Chipperfield („Elbtower") vorgelegt hatte. Am 6. Februar 2018 schlössen die Freie und Hansestadt Hamburg (Verkäuferin) und die SPS Vierte Immobilien GmbH & Co. KG (Käuferin; Tochterunternehmen der Signa Prime Selection AG) einen Grundstückskaufvertrag über das Grundstück zum Kaufpreis von 122 Mio. Euro. Die Hauptpflichten stellten die Vertragspartner unter die aufschiebende Bedingung, dass der Käuferin die Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft zu dem Geschäft übermittelt werde. Am 8. Februar 2018 gab der damalige Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz, in einer Pressekonferenz die Einigung bekannt.

 

Mit E-Mail vom 3. September 2018 stellte der Antragsteller der Antragsgegnerin – hier antragsgegenständliche - Fragen zu dem Gremium, das Signa den „Zuschlag" gegeben habe und zu Einzelheiten der Gremiumssitzung.

 

Tags drauf antwortete die Pressestelle der Antragsgegnerin per E-Mait: Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung für das Sondervermögen „Stadt und Hafen" fielen im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin. Die Besetzung des Aufsichtsrats sei öffentlich bekannt. Die Sitzungen fänden in vertraulichem Rahmen statt. Auf Nachfrage des Antragstellers verweigerte die Antragsgegnerin weitere Auskunft, da die Aufsichtsratsmitglieder gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet seien.

 

Am 14, September 2018 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, sein Auskunftsanspruch ergebe sich u.a. aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz (HmbTG). Die Sache sei eilig. Die politische Debatte sei noch nicht abgeschlossen. Die Hamburgische Bürgerschaft habe noch nicht entschieden.

 

Er wolle die Diskussion um den Vertrag publizistisch beeinflussen. Die Hintergründe seiner Anfrage müsse er nicht aufdecken. Er sei investigativ tätig geworden.

 

Der Antragsteller beantragt,

 

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller folgende Fragen zu beantworten:
1. Bei welcher Sitzung welchen Gremiums ist die Entscheidung zugunsten des Signa-Entwurfs und der Zuschlag an Signa erfolgt?
2. Wo war diese Sitzung (bitte genauen Ort angeben)?
3. Wann war diese Sitzung (bitte exakte Zeit angeben)?
4. Wer gehörte diesem Gremium an (bitte alle Namen und Funktionen)?
5. War der damalige Bürgermeister Olaf Schätz bei der zu benennenden Sitzung persönlich anwesend oder war er per Video zugeschaltet?
6. Wenn ja, von wo und wie lange?
7. Hat der Bürgermeister persönlich eingegriffen und für Signa votiert?
8. Ist die Entscheidung für Signal in dem zu benennenden Gremium einstimmig gefallen oder mit Mehrheit? Wie war das Votum?

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

 

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

 

Der Antrag sei teilweise unbestimmt. Frage 1 ergebe keinen Sinn, da erst die hamburgische Bürgerschaft über den „Zuschlag" entscheiden werde. Frage 7 nach „persönlichem Eingreifen" sei zu vage. Die Antragsgegnerin sei keine auskunftspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 3 HmbTG, da sie keine öffentlichen Aufgaben wahrnehme. Sie verkaufe lediglich ein Grundstück an einen privaten Bauherrn, der den „Elbtower" aus privaten Mitteln errichten und gewerblich nutzen werde. Es handele sich außerdem nicht um veröffentlichungspflichtige Informationen nach § 3 HmbTG. Die Fragen 4 bis 8 zielten auf personenbezogene Daten, deren Offenlegung nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 HmbTG gerechtfertigt sei. Würden die personenbezogenen Daten offengelegt, würden sich die Aufsichtsratsmitglieder bei ihrer Entscheidung möglicherweise von der Angst vor politischen Sanktionen leiten lassen - obwohl die politische Verantwortung für den Grundstücksverkauf doch die Hamburgische Bürgerschaft trage.

 

Das Informationsinteresse des Antragstellers sei außerdem gering. Die Fragen betrafen zum Teil Nebensächliches. Informationen über die Sitzung seien nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 HmbTG auch deshalb nicht zu erteilen, weil darin nur Vorbereitendes beschlossen worden sei. Die Entscheidung treffe erst die Hamburgische Bürgerschaft. Außerdem habe der Antragsteller nicht dargetan, welches Informationsinteresse es nach § 7 Abs. 2 HmbTG rechtfertige, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Nicht zu allen Fragen lägen Aufzeichnungen vor. Wo sich per Video zugeschaltete Teilnehmer aufhielten, werde nicht aufgezeichnet. Aufzeichnungen über ein „persönliches Eingreifen" des Bürgermeisters gebe es ebenso wenig wie Aufzeichnungen über die Voten einzelner Aufsichtsratsmitglieder; nur ein Gesamtergebnis sei niedergelegt. Eilig sei die Sache nicht. Der Antragsteiler könne effektiven Rechtsschutz auch in einem Hauptsacheverfahren erlangen. Für die Debatte vor der Bürgerschaftsentscheidung seien die aufgeworfenen Fragen belanglos. Selbst widerlegt habe sich der Antragsteller damit, dass er nach der Pressekonferenz noch sieben Monate mit der Eilantragstellung gewartet habe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.

 

II.

 

Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig (1.) und begründet (2.).

 

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist der Veraltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet und liegt insofern eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor.

 

Das Begehren richtet sich nach Normen des öffentlichen Rechts, nämlich des Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG).

 

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. Er ist hinreichend bestimmt. Der auch im Öffentlichen Recht bei der Auslegung einer Erklärung maßgebliche wirkliche Wille (vgl. § 133 BGB) geht aus den Fragen eindeutig hervor. So liegt auf der Hand, dass sich die Frage 1 auf eine Gremiensitzung gerade der Antragsgegnerin und nicht auf eine Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft bezieht. An die Hamburgische Bürgerschaft hat er sich im Vorfeld nicht gewandt. Entsprechend zielen die im Zusammenhang zu sehenden übrigen Fragen nicht auf eine Bürgerschaftsentscheidung. Missverständnisse können nicht daraus entstehen, dass der Antragsteller von einem „Zuschlag" spricht. Der Begriff ist rechtlich besetzt (zB § 90 ZVG, § 156 BGB), wird hier aber ersichtlich in einem alltagssprachlichen Sinne für „Auswahlentscheidung" benutzt.

 

Soweit der Antragsteller unter 7. fragt, ob der Bürgermeister „persönlich eingegriffen" habe, ist hinreichend deutlich, was er meint. Die Frage zielt auf alle Aktivitäten des Bürgermeisters in der Sitzung, die den Entscheidungsprozess beeinflussen konnten, zB Wortmeldungen.

 

2. Der Antrag ist begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

 

Erforderlich ist, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit (den Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden materiellen Anspruchs (den Anordnungsanspruch) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). An die Glaubhaftmachung sind vorliegend besondere Anforderungen zu stellen, da eine stattgebende Entscheidung über das Auskunftsbegehren eine in einem Klagverfahren erreichbare Entscheidung vorwegnehmen würde, im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnähme in der Hauptsache nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23, Aufl. 2017, § 123 Rn. 14). Diese Voraussetzungen liegen vor.

 

a. Der Antragsteller hat mit dem erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad einen Anordnungsanspruch aus § 1 Abs. 2 HmbTG glaubhaft gemacht. Danach hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen sowie auf Veröffentlichung der in § 3 Abs. 1 genannten Informationen. Die Voraussetzungen sind gegeben (aa.); einschränkende gesetzliche Maßgaben greifen nicht (bb.).

 

aa. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen vor, Die Antragsgegnerin ist auskunftspflichtige Stelle. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 HmbTG sind auskunftspflichtig u.a. die in Abs. 3 bezeichneten Behörden. Nach § 2 Abs. 3 hts. 2 HmbTG gelten als Behörden u.a. auch juristische Person des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben, insbesondere solche der Daseinsvorsorge, wahrnehmen und dabei der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegen. Hierunter fällt die Antragsgegnerin. Der in § 2 des Gesellschaftsvertrages bestimmte Unternehmensgegenstand umschreibt eine öffentliche Aufgabe. Die Antragsgegnerin ist danach mit Fragen von erheblicher Bedeutung für das Gemeinwesen befasst, nämlich der städtebaulichen Entwicklung Hamburgs in einem seiner zentralen Quartiere. Mitverantwortlich ist sie für die Realisierung des neuen Stadtteils HafenCity, „eines der markantesten Stadtentwicklungsvorhaben in Wasserlage weltweit" (s. Website der Antragsgegnerin: https://www.hafencity.com/de/ueberblick/hafencity-hamburg-standder-entwicklung.html), das eine „hohe Bedeutung für die Gesamtentwicklung Hamburgs" hat (https://www.hafencity.com/de/management/aufgaben-der-hafencity -hamburggmbh.html).

 

Dabei hat sie, wie § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich festschreibt, öffentliche Interessen zu beachten. Zur Überzeugung des Gerichts ist die Gemeinwohlbindung bei der konkret in Rede stehenden Weggäbe öffentlichen Eigentums an Private offenkundig. Schließlich unterliegt die Antragsgegnerin als vollständig in öffentlicher Hand befindliches Unternehmen der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 2 HmbTG) Mit Recht verlangt der Antragsteller Informationszugang im Wege der Auskunft. Diese Möglichkeit eröffnet ihm § 12 Abs. 1 HmbTG, wonach die auskunftspflichtigen Stellen entsprechend der Wahl der antragstellenden Person Auskunft zu erteilen oder die Informationsträger zugänglich zu machen haben, die die begehrten Informationen enthalten.

 

Der Anspruch wird nicht durch das Argument der Antragsgegnerin in Zweifel gezogen, er ziele nicht auf gemäß § 3 HmbTG veröffentlichungspflichtige Informationen. § 1 Abs. 2 HmbTG erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut alle Informationen, § 3 HmbTG statuiert für bestimmte Informationen bloß weitergehende Verpflichtungen.

 

Unerheblich ist der Einwand der Antragsgegnerin, die Fragen zielten teilweise auf uninteressante Nebensächlichkeiten. § 1 Abs. 2 HmbTG vermittelt einen Anspruch, ohne dass der Informationssuchende ein berechtigtes Informationsinteresse darzutun hätte.

 

Ebenso wenig dringt die Antragsgegnerin damit durch, ihr lägen teilweise keine Informationen vor, nämlich keine Aufzeichnungen (vgl. § 2 Abs. 1 HmbTG). Die Darlegungslast für die Einwendung trägt nach allgemeinen Regeln die Antragsgegnerin. Ihrer Substantiierungsobliegenheit genügt sie indes mit dem schlichten Bemerken nicht, es lägen keine Aufzeichnungen vor zum Ort etwaiger Zuschaltung, zu „persönlichem Eingreifen" des Bürgermeisters und zu den Einzelvoten. Das wäre nämlich ungewöhnlich: Dass die Antragsgegnerin keine Korrespondenz mit ihrem Aufsichtsratsmitglied hat, aus der hervorgeht, wo es sich befindet, liegt nicht nahe. Mindestens dürfte es ihr ein Leichtes sein, die entsprechenden Terminkalendereintragungen einzuholen. Dass es an einer schriftlichen Dokumentation der Sitzung fehlte, aus der die wesentlichen Verhandlungen und Voten hervorgehen, hält das Gericht für fernliegend: Nach § 8 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags richten sich die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin nach den aktienrechtlichen Vorschriften. § 107 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AktG bestimmen, dass über die Sitzungen des Aufsichtsrats eine Niederschrift anzufertigen ist [...]. In der Niederschrift sind der Ort und der Tag der Sitzung, die Teilnehmer, die Gegenstände der Tagesordnung, der wesentliche Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Aufsichtsrats anzugeben. Dem Protokoll jeder Aufsichtsratssitzung kommt eine erhebliche Bedeutung zu, etwa bei Schadensersatzforderungen gegen Aufsichtsratsmitglieder, hinsichtlich der Dokumentation und des Beweises der Wirksamkeit von Beschlüssen oder für andere streitige Fragen (vgl. MüKoGmbHG/Spindler, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 52 Rn. 533-536).

 

Bei der überragenden Bedeutung und der wirtschaftlichen Relevanz der von den Aufsichtsratsmitgliedern zu treffenden Auswahlentscheidung hält die Kammer das Fehlen eines genauen Sitzungsprotokolls für lebensfremd.

 

bb. Der Anspruch ist nicht nach Maßgabe der übrigen Regelungen des HmbTG beschränkt.

 

(1) Besondere Anforderungen bei Informationen über personenbezogene Daten reduzieren den Anspruch nicht. Nach Abs. 3 Nr. 4 HmbTG ist auf Antrag Zugang zu personenbezogenen Daten zu gewähren, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Information besteht und überwiegende schutzwürdige Belange nicht entgegenstehen. Der Begriff der „personenbezogenen Daten" in § 4 HmbTG bezieht sich auf § 4 Abs. 1 Hamburgisches Datenschutzgesetz - HmbDSG - (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - Drucksache 20/4466 - Einzelbegründung zu § 4 HmbTG). Nach § 4 Abs. 1 HmbDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen. Damit sind alle Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse gemeint, die über eine lebende natürliche Person etwas aussagen (vgl, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg-Drucksache 13/3282 - Einzelbegründung zu § 4 HmbDSG). Das betrifft vorliegend bloß die Frage 4 nach Namen und Funktion der Gremienmitglieder.

 

Die Fragen 5 - 8 zielen dagegen lediglich auf Sachdaten. Sie erlauben Aussagen nur zu äußeren Gegebenheiten und dem Ablauf einer Sitzung unter Mandatsträgern. Auf individuelle und persönliche Verhältnisse der bloß in ihrer Funktion Anwesenden zielen sie nicht.

 

An der Information über die Namen und Funktion der Gremienmitglieder hat der Antragsteiler ein schutzwürdiges Interesse. Er will die Öffentlichkeit publizistisch darüber unterrichten, wer über die Veräußerung von Grundstücken (vgl. § 8 Abs. 4 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages) in der für Hamburg städtebaulich bedeutsamen HafenCity zumindest mitentscheidet. Dass auch andere Stellen (hier: die Hamburgische Bürgerschaft) bei dem Grundstücksgeschäft mitwirken müssen, schmälert das Informationsinteresse nicht. Denn die Bürgerschaft entscheidet über ein Rechtsgeschäft, das die Antragsgegnerin vorbereitet und geschlossen hat.

 

Nicht erkennbar ist, dass schutzwürdige Belange der Mitglieder entgegenstehen. Nach Angaben der Antragstellerin besteht der Aufsichtsrat ausschließlich aus Repräsentanten des Hamburger Senats. Sie sind der Bevölkerung ohnehin politisch verantwortlich. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages sind sie als Sachwalter des öffentlichen Interesses tätig.

 

Dass sie ihre Entscheidungen politisch rechtfertigen und sich ggf. öffentlichem Druck aussetzen müssen, ist untrennbar mit der Erfüllung ihrer Aufgaben verbunden. Im Übrigen veröffentlicht die Antragsteller die aktuelle Besetzung ihres Aufsichtsrats selbst im Internet (https://www.hafencity.com/de/management/der-aufsichtsrat-der-hafencity-hamburggmbh.html).

 

(2) Ebenso wenig verfängt der Verweis auf den Schutz öffentlicher Belange nach § 6 HmbTG. Solche sind durch keine der gestellten Fragen betroffen. In Rede stehen keine Entwürfe, vorbereitenden Notizen und vorbereitende Vermerke (§ 6 Abs. 1 HmbTG).

 

Auf § 6 Abs. 2 Nr. 1 HmbTG kann sich die Antragsgegnerin ebenfalls nicht berufen, Danach sollen Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung [...] von der Informationspflicht ausgenommen werden. Der hierauf zielenden Argumentation der Antragsgegnerin, die Fragen stellten bloß auf Entwürfe und Vorbereitungen einer Entscheidung erst der Hamburgischen Bürgerschaft ab, folgt das Gericht nicht. Vielmehr hat bereits die Antragsgegnerin eine eigenständige und verbindliche Entscheidung dahingehend getroffen, gegenüber der SPS Vierte Immobilien Gmbhl & Co. KG/ Signa Prime Selection AG eine auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung abzugeben. Dass die Hamburgische Bürgerschaft mitentscheidet, ändert daran nichts.

 

Der Antragsgegnerin hilft auch nicht § 6 Abs. 2 Nr. 2 HmbTG, wonach u.a. Protokolle und Unterlagen von Beratungen, die durch spezialgesetzliche Vertraulichkeitsvorschriften geschützt sind, von der Informationspflicht ausgenommen werden sollen. Die einzig ersichtlichen spezialgesetzlichen Vorschriften zur Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern greifen nicht. Nicht erkennbar ist, dass die Fragen Informationen betreffen über von § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 3, 116 Satz 2 AktG in Bezug genommene vertrauliche Angaben, vertrauliche Berichte, vertrauliche Beratungen und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse.

 

Das liegt für die Fragen 1 - 6, die nur auf Organisatorisches zielen, auf der Hand. Weshalb etwaige Wortmeldungen oder ein positives Votum des damaligen Ersten Bürgermeisters vertraulich sein sollten (vgl. Frage 7), ist nicht erkennbar. Er hat aus seiner Einstellung zu dem Gesamtvorhaben von vornherein kein Geheimnis gemacht und hat die Entscheidung für den ausgewählten Vertragspartner in der Pressekonferenz am 8. Februar 2018 begrüßt (vgl. seine Rede unter https://www.hamburg.de/buergermeisterreden-2018/104l1378/elbtower/). Inwieweit das Gesamtabstimmungsergebnis - nach einzelnen Stimmen ist unter 8. nicht gefragt - vertraulich sein sollte, ist ebenso wenig nachvollziehbar.

 

Auch Geheimnisse der Gesellschaft sind nicht betroffen, insb. keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne, während Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen betreffen (Bü-Drucks. 20/4466, S. 19, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006, 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03, juris - Rn. 87). Derartiges wird mit den Fragen bloß zu einer bestimmten Sitzung nicht berührt. Mangels Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen ist der Anspruch auch nicht nach § 7 Abs. 2 HmbTG beschränkt.

 

b. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nach den bei der erstrebten Vorwegnähme der Hauptsache erhöhten Anforderungen glaubhaft gemacht. Auf die Möglichkeit einer Klage verwiesen, würden ihm wohl unzumutbare Nachteile bei der Rechtsverwirklichung entstehen. Sein Auskunftsanspruch würde möglicherweise faktisch entwertet.

 

Im Hintergrund steht, dass er von seiner in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Pressefreiheit Gebrauch machen und die Öffentlichkeit über Einzelheiten des Planungsprozesses für den „Elbtower" unterrichten will. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hängt maßgeblich von der Aktualität dieser Berichterstattung und mithin davon ab, dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben zeitnah Informationen erhält (vgl. VGH Mannheim, Beseht, vom 10.05.2011 - 1 S 570/11 - NVwZ 2011, 958 unter Verweis auf OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2010 m.w.N.). Derzeit ist die politische Diskussion um den „Elbtower" aktuell. Der Entscheidungsfindungsprozess in der Hamburgischen Bürgerschaft und eine aus der Öffentlichkeit hineinwirkende Diskussion sind noch nicht abgeschlossen.

 

Das stellte sich bei Abschluss eines Klagverfahrens wohl anders dar.

 

Hiergegen kann die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg einwenden, der Antragsteller habe erst sieben Monate nach der Pressekonferenz und außerdem Belangloses erfragt. Wann sie bestimmte Recherchemöglichkeiten in einer aktuellen Debatte und zu welchen Aspekten nutzt, entscheidet die freie Presse selbst. Dass der Antragsteller seinen Informationsanspruch verwirkt haben könnte, behauptet die Antragsgegnerin zu Recht nicht.

 

 

III.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert findet ihre Grundlage in den § 52 Abs. 2 GKG. Der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,- Euro war nicht zu reduzieren, da mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung eine in einem Klagverfahren erreichbare Entscheidung vorweggenommen wird.

 

 

 


VG Hamburg, Beschluss vom 11. Januar 2019 -17 E 4843/18
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